GRÜN.ES September 2018
Editorial
Liebe Freundinnen und Freunde, ich hoffe Ihr konntet euch in der Sommerpause gut erholen und ein wenig Kraft tanken. Trotz der hohen Temperaturen waren wir im Kreis nicht untätig (wie ihr den nächsten Seiten entnehmen könnt)! Auch auf der nächsten Kreismitgliederversammlung wollen wir wieder fleißig sein. Unsere Delegierten für den Landes- und Bundesparteitag müssen gewählt werden. Außerdem möchte ich mit euch über Populismus reden. Der Vorwurf des Populismus scheint immer wie eine Keule zu sein, mit der wahllos auf den politischen Gegner eingeschlagen werden kann, wenn dessen politische Ansichten nicht mit den unseren übereinstimmen. Was Populismus wirklich exakt bedeutet, weiß keiner so genau. Ich biete euch auf Seite 3 eine mögliche Definition dafür an. Viel wichtiger ist es allerdings anschließend zu klären, wie man populistischen Aussagen und Populisten begegnen kann. Besonders interessieren mich dabei Situationen am Küchen- und Stammtisch, auf der offenen Straße und am Wahlstand. Letztendlich sind sowohl Populismus im Wahlkampf und im Gemeinderat etwas, mit dem richtig umgegangen werden will. Für viele der Situationen habe ich auch selbst noch keine perfekte Lösung. Daher möchte ich zusammen mit euch einige Strategien für den alltäglichen Umgang mit populistischen Aussagen und Populisten erarbeiten. Mehr denn je kommt es also auf eure Erfahrungen und Ideen an. Ich freue mich auf jeden Fall auf euch und anregende Diskussionen.
Nico Boldt Kreisvorstand
Wohnen und Verkehr
Grüne Koordination in der Region Stuttgart
Alle fünf Jahre, jeweils zu den Regionalwahlen haben die Kreisverbände der Region Stuttgart (Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg, Rems-Murr und Stuttgart) vereinbart, eine Regionaldelegiertenkonferenz (RDK) durchzuführen, um ein Wahlprogramm zu beschließen. Auf unseren Vorschlag hin hat die RDK in Esslingen im Februar 2014 beschlossen, in der Mitte der Wahlperiode eine weitere RDK durchzuführen, um sich mit der Regionalpolitik befassen zu können. Diese hat im Juli 2017 in Kornwestheim stattgefunden, nachdem die Kreisverbände bzw. -vorstände in einem längeren Abstimmungsprozess eine Geschäftsordnung für diese RDK vereinbart hatten. Die RDK 2017 hat wichtige Anträge zur Verkehrswende und Wohnungspolitik in der Region beschlossen (wer sie nachlesen will: gruenlink.de/1h54) Die Themenstellungen im Bereich der Wohnungs- und Verkehrspolitik nehmen eine immer zentralere Rolle in der Region Stuttgart ein. Funktionierende Lösungen in diesen Politikfeldern können nur noch sinnvoll im Verbund der gesamten Region Stuttgart erarbeitet werden. Ein regelmäßiger Austausch der Mitglieder der Regionalfraktion und der Kreisverbände der Grünen in der Region fördert nachhaltige Lösungen bzgl. der Gestaltung der Verkehrs- und Wohnraumpolitik der Region Stuttgart. Diesen Austausch zu intensivieren und zu institutionalisieren war das Ziel unseres Antrags zur Durchführung einer weiteren RDK in der Mitte der Wahlperiode. In mehreren Treffen der Kreisvorstände der Region mit VertreterInnen der Regionalfraktion wurde beraten, wie eine dauerhafte politische Arbeit und Anbindung der Fraktion an eine regionale Parteiorganisation gestaltet werden könnte. Da die aktuelle Organisation u.a. der Treffen der Kreisverbände der Region, der Regionaldelegiertenkonferenzen und der Sommerklausur auf wenigen Schultern liegt und die Einbindung der Kreisverbände in die Verfahrensweise strukturell keine Basis besitzt, wurde durch die Teilnehmer des Treffens die Notwendigkeit einer Struktur auf Regionsebene als notwendig erachtet. Diese soll nun in Form eines Koordinations-Gremiums geschaffen werden, in dem jeder Kreisvorstand mit einem Mitglied vertreten ist. Den regelmäßigen Regionaldelegiertenkonferenzen soll eine strukturelle Legitimation gegeben werden. Die RDK sollen künftig von dieser Koordination vorbereitet und einberufen werden. Die nächste soll im Februar 2019 stattfinden und das Wahlprogramm für die Regionalwahl am 26. Mai 2019 beschließen. Kurz vor der Sommerpause haben wir den Entwurf einer Vereinbarung der Kreisverbände über die Regionale Koordination und die regelmäßigen RDKen vorgelegt, die in Kraft treten soll, sobald alle sechs Kreisverbände formell zugestimmt haben. Der KV Esslingen wird darüber in der KMV am 27. September abstimmen. (Der Entwurf der Vereinbarung steht Euch unter der Adresse gruenlink.de/1h91 zur Verfügung.)
Uwe Jansse, Kreisvorstand
Reform für Landtagswahl
LAG Frauen fordert Bürger*innenforum
Obwohl im Koalitionsvertrag eine Reform des Landtagswahlrechts vereinbart war mit dem Ziel, den Frauenanteil unter den Abgeordneten zu erhöhen, ist dies am Widerstand der CDU nach monatelangem Ringen Ende April gescheitert. Nun fordern der Landesfrauenrat und der grüne Landesparteitag vom Mai auf Initiative der LAG Frauenpolitik ein Bürger*innen-Forum. In der letzten Sitzung der LAG Frauenpolitik wurde darüber zusammen mit Charlotte Schneidewind-Hartnagel, ehemalige grüne Landtagsabgeordnete und nun Vorsitzende des Landesfrauenrates, diskutiert. Es gab empörte Reaktionen bei den Grünen und Appelle an den Koalitionspartner, künftig den gemeinsamen Koalitionsvertrag einzuhalten. Das Thema sollte aber abgeschlossen werden. Doch der Landesfrauenrat mit seinen zwei Millionen Mitgliedern, verteilt auf 50 Organisationen, will sich damit nicht zufrieden geben. Die Frauen fordern die Einsetzung eines Bürger*innenforums, wie es von der Landtagspräsidentin Muhterem Aras beispielsweise in der Frage der Altersversorgung für Abgeordnete auf Wunsch der Fraktionen organisiert wurde. Muhterem verweist darauf, dass es keinen rechtlichen Rahmen für die Einsetzung eines Bürgerforums gibt. Zwingende Voraussetzung für sie wäre aber, dass der Landtag dies mit großer Mehrheit möchte. An der CDU ist die Reform gescheitert und sie argumentiert nun, dass das Landtagswahlrecht sehr komplex ist und in der Verantwortung des Parlaments liegt. Sie zweifelt an, ob ein Bürgerforum das richtige Format ist. Auch die SPD spricht sich gegen ein solches Gremium aus, weil aus ihrer Sicht die Regierung versucht, ihre Handlungsunfähigkeit durch ein Bürgerforum zu kaschieren. Einzig die FDP stellt sich eindeutig hinter die Forderung des Landesfrauenrats. Hans-Ulrich Rülke sagte, dass es der FDP ein dringendes Anliegen sei, mehr Frauen in den Landtag von Baden-Württemberg zu bekommen. Von der Grünen-Fraktion fehlt ein solches klares Bekenntnis bislang. Auf dem Landesparteitag in Leinfelden hatte sich die grüne Basis klar für ein Bürgerforum ausgesprochen. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz fühlt sich dem Beschluss seiner Partei verpflichtet, hält aber die Umsetzung für schwierig, weil in der Regierung nicht mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt werden könne. Auch Andrea Lindlohr ist skeptisch. Sie hält zwar ein Bürgerforum für ein geeignetes Format, um die Gesellschaft mit einzubeziehen, bezweifelt aber, dass der Landtag auf Basis der Ergebnisse Beschlüsse fasst. Müssen wie uns nun erneut von der CDU vorführen lassen? Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in Baden-Württemberg ist es also offensichtlich immer noch nicht geschafft, eine Mehrheit dafür zu finden, dass Frauen entsprechend ihres Bevölkerungsanteils in den Parlamenten Vertretung finden. Äußerst unschön dabei ist, dass unter den grünen Mitgliedern der Eindruck entsteht, dass das Thema Frauenrechte in der grünen Fraktion keine Priorität hat. Und das, obwohl der Frauenanteil bei den Grünen höher ist als bei anderen Parteien. Mit ein Grund hierfür ist, dass sich die Partei bisher immer für die Gleichberechtigung eingesetzt hat. Wir dürfen dieses Thema nicht vernachlässigen! Die Mehrheit unserer Wähler*innen ist weiblich!
Petra Dannenmann und Ute Waldner Delegierte des KV Esslingen in der LAG Frauenpolitik
Populismus
Ein Thema der nächsten KMV
Bei dem Begriff Populismus werden die meisten von euch wohl direkt an die AFD denken. Natürlich und leider gibt es noch weitaus mehr populistische „Gruppierungen“, denen man im Laufe des Lebens über den Weg läuft. Die identitäre Bewegung, die FPÖ, Geert Wilders, aber auch die Linke unter Wagenknecht sind nur weitere Beispiele einer traurig langen Reihe. Was aber macht diese Gruppen zu Populisten? Und was ist eigentlich so schlimm daran, populistisch zu sein? Um diese Fragen zu beantworten muss zuerst festgestellt werden, was Populismus eigentlich genau ist und wo der Unterschied zum Radikalismus liegt. Was praktisch allen populistischen Parteien zugrunde liegt ist ein Alleinvertretungsanspruch. Sie behaupten, dass sie und nur sie das Volk und ihre Interessen wirklich vertreten. Schnell spricht man von einer unterdrückten und schweigenden Mehrheit, die man vertrete. Damit Hand in Hand geht der Vorwurf der Populisten, dass es eine Elite von führenden Politikern gibt, die sich mit einer Kaste von Volksfeinden zusammengetan haben, um das Volk zu unterdrücken. In Ungarn sind es Zigeuner, die mit der Opposition unter einer Decke stecken, in Deutschland sind es die „Links-Grün-Versifften“, die mit Gender Mainstreaming und der Islamisierung das eigene Volk bekämpfen wollen. „Volksverräter“ eben. Im Gegensatz zu den „Volksverrätern“ beanspruchen Populisten zu wissen, was der Wille des Volkes ist, welches sie als logischen Schluss vertreten. Somit hat der Populist die einzigen und wahren Antworten auf die Probleme unserer Zeit. Andere Parteien und Meinungen werden daher nicht gebraucht. Aus demokratischer und rechtstaatlicher Sicht sind diese drei Grundverständnisse des Populismus verheerend. Der Pluralismus, auf dem unsere Demokratie überhaupt aufgebaut ist, wird durch den Alleinvertretungsanspruch mit Füßen getreten. Die Idee, dass es immer eine böse Gruppe von Verbrechern gibt, mit denen andere Parteien generell zusammenarbeiten, hilft in einer Diskussion über die schwarzen Schafe in der Politik (die wichtig ist!) wenig und führt zur Spaltung der Gesellschaft. Auf der kommenden KMV möchte ich mit euch diskutieren, was das richtige Verhalten gegen populistische Aussagen sein könnte. Einen Schwerpunkt möchte ich dabei auf die alltäglichen Interaktionen legen. Mit Blick auf die Kommunalwahl soll auch tiefer auf Populismus am Wahlstand und im Gemeinderat eingegangen werden.
Nico Boldt, Kreisvorstand
Beteilgung per Zufall
Grüne bereiten Nürtinger Bürgerrat vor
Der Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen und die Gemeinderatsfraktion der Nürtinger Liste/Grüne gehen gemeinsam neue Wege mit der Bürgerbeteiligung in Nürtingen. „Ging bislang überwiegend die Initiative von der Verwaltung aus, wird mit den Grünen eine politische Organisation in Sachen Beteiligung nach der Sommerpause selbst aktiv“, so der Sprecher des Nürtinger Ortsvereins, Jochen Braunmüller. Die Grünen wollen den Baden – Württembergischen Weg „der Politik des Gehörtwerdens“ auch in Nürtingen verstärkt praktizieren, ergänzt Vorstandsmitglied Michael Jäger. Dazu werden zukünftig Bürgerinnen und Bürger zum Beteiligungsformat „Bürgerrat“ eingeladen. Das Format „Bürgerrat“ hat sich seit vielen Jahren in Vorarlberg bestens bewährt und ist dort sogar in der Landesverfassung verankert. Der Konflikt um den Bau eines Hotels am Neckar hat einmal mehr gezeigt, dass sich Bürgerinnen und Bürger aktiv ins Nürtinger Stadtgeschehen einbringen wollen. Diesen Impuls greifen der Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen und die Gemeinderatsfraktion Nürtinger Liste/Grüne auf und initiieren den „Nürtinger Bürgerrat“ als wiederkehrendes Format der bürgerschaftlichen Beteiligung und Mitgestaltung. Claudia Himmer, die Fraktionsvorsitzende der Nürtinger Liste/Grüne, sieht im Format Bürgerrat eine Chance und Ergänzung zu den Bemühungen der Stadtverwaltung in Sachen Bürgerbeteiligung: „Ergebnisse können verstärkt und verifiziert werden, und wir wollen den Bürgern zu zeigen, dass ihre Meinung wichtig ist für den Gemeinderat“. Wie funktioniert ein Bürgerrat? 15 Bürgerinnen und Bürger, gleichviele Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, werden zufällig ausgewählt und eingeladen. Sie diskutieren zusammen an einem besonderen Ort über eine Fragestellung, die für die Stadt und ihre Einwohner wichtig ist und erarbeiten gemeinsame Empfehlungen. Dies geschieht unter neutraler, externer Moderation. Die Ergebnisse werden in einem „Bürger-Café“ vorgestellt und können dort mit der interessierten Öffentlichkeit diskutiert werden, erklärt Hildegard Biermann-Mannsfeld vom Vorstand. So liefert der Bürgerrat die Inhalte, aus denen eine Kommunalpolitik im Sinne der Bürger unserer Stadt gestaltet werden kann. Wichtig ist, der Bürgerrat gibt Handlungsempfehlungen an die Kommunalpolitik, die Entscheidung liegt, wie es in unserer repräsentativen Demokratie üblich ist, beim Gemeinderat. Hannes Wezel vom Vorstand kennt sich mit der Methode Zufallsauswahl aus: „sie ist der Schlüssel des Bürgerrats, schafft Chancengleichheit und Neutralität für alle Einwohner.“ Durch die Zufallsauswahl gibt es keine Meinungsführerschaft bestimmter Gruppen und Milieus, sondern die Meinungen und Sichtweisen ganz unterschiedlicher Menschen, auch aus den eher stilleren Gruppen der Bevölkerung. Solche Verfahren werden heute regelmäßig bei Beteiligungsverfahren auf Landesebene erfolgreich angewendet. Eingeladen wird schriftlich zum Nürtinger Bürgerrat, über aufsuchende, direkte Ansprache in der Kernstadt und den Stadtteilen sowohl wie auch über telefonische Akquise. Aus den Rückmeldungen der Zufallsausgewählten werden die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrats per Los gezogen. Handlungsoptionen für die Kommunalpolitik „Die Empfehlungen des Bürgerrats fließen verbindlich in die politische Arbeit der Gemeinderatsfraktion Nürtinger Liste Grüne und damit auch in den Gemeinderat der Stadt Nürtingen ein“, erklärt Stadträtin Regine Glück. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrats werden auf Wunsch fortlaufend darüber informiert, was aus ihren Empfehlungen wurde. Hannes Wezel, Ortsvorstand Nürtingen
Grüne Verklehrswende
Der Regionalverkehrsplan und die VVS-Tarifreform
Zwei große Themen haben die regionale Agenda in den letzten Monaten bestimmt: die Verabschiedung des Regionalverkehrsplans (RVP) und die Tarifreform im VVS. Mit dem RVP werden nicht nur die Planungen der Region Stuttgart im Verkehrsbereich zusammengetragen, er gilt auch als politische Absichtserklärung der Region gegenüber Land und Bund was Prioritäten beim Ausbau von Straße und Schiene angeht. Als Planungswerk stellt er ein Handlungskonzept für die zielorientierte Weiterentwicklung des Verkehrs in der Region Stuttgart dar, das mehr sein will als die Summe lokaler oder sektoraler Forderungen. Als vorrangige Zielsetzung soll dieses Konzept Maßnahmen zur Gewährleistung einer zukunftsfähigen Mobilität aufzeigen. Wir Grünen in der Regionalversammlung des Verband Region Stuttgart haben den neuen RVP in der Sitzung der Regionalversammlung am 18. Juli abgelehnt. Warum? Weil er den Geist der Verkehrsplanung des 20. Jahrhunderts atmet und damit die Verkehrsprobleme des 21. Jahrhunderts lösen will. In den vielen hundert Seiten des RVP finden sich erst ganz hinten, im Kapitel 4.3 zu organisatorischen und ordnungspolitischen Maßnahmen, dreieinhalb magere Seiten, wo und wie Mobilität nachhaltig gestaltet werden kann. Betrachtet werden dort Tarifmaßnahmen beim VVS, Verbesserung des Fahrradverkehrs, Verkehrslenkung, Ausbau von Park & Ride Angeboten und auch Fahrverbote. Und wenn man sich die Wirkanalysen anschaut, muss man feststellen, dass es keine anderen Maßnahmen gibt, die einen größeren Effekt darauf haben, dass mehr Menschen den ÖV nutzen und dass weniger schädliche Gase in die Luft geblasen werden. Anstatt diese Maßnahmen ganz an den Anfang zu stellen und daraus Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur abzuleiten, werden Planungen aus dem letzten Jahrhundert fortgeschrieben: die Filderauffahrt lebt, ebenso der Nord-Ost-Ring, dazu unzählige Umgehungsstraßen. Wenn man es ganz verkürzt auf den Punkt bringen will, so ist die zentrale Aussage des RVP, dass mit großen Straßeninfrastrukturprojekten die Verkehrs- und Schadstoffprobleme unserer Region gelöst werden können. Als grüne Fraktion konnten wir das nicht mittragen. Bei den meisten dieser Großprojekte ist der Realisierungszeitraum weit nach 2025, also dem Jahr, das der RVP als Zieldatum hat. Die großen Herausforderungen bei Stau, bei Luftqualität und beim Klimaschutz vor Ort müssen aber jetzt angegangen werden. Straßeninfrastrukturen, die in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren realisiert werden, helfen nicht weiter – falls sie überhaupt realisiert werden, was bei Filderauffahrt und Nord-Ost-Ring wenig wahrscheinlich ist. Einem Planungswerk zuzustimmen, das so rückwärtsgewandt daherkommt und bei seinem Beschluss bereits hoffnungslos veraltet ist, kam deswegen für uns Grüne in der Regionalfraktion nicht in Frage. Unsere ganze Energie haben wir deswegen auch für das zweite große Thema verwendet, die VVS-Tarifreform. Diese Reform wurde auf Initiative der Grünen in Region und Stadt Stuttgart auf den Weg gebracht, bestärkt durch Beschlüsse der Regionaldelegiertenkonferenz in Esslingen im Februar 2014 vor der letzten Regionalwahl. Sie ist ein grüner Erfolg und stellt die größte Reform im VVS dar seit der Verbundstufe 2, seit der VVS-Fahrschein in allen öffentlichen Verkehrsmitteln des Tarifverbunds gilt. Die Preise sinken im Schnitt um 25 Prozent. Wege in Richtung Stuttgart werden für alle günstiger, im Kreis Esslingen gibt es nur noch vier anstatt fünfzehn Tarifzonen. Mit Unterstützung der Landesregierung und durch großen Einsatz von Fritz Kuhn als OB von Stuttgart schaffen wir diese Reform im April 2019, also rechtzeitig zum Regional- und Kommunalwahlkampf. Dafür müssen wir Grünen ordentlich Werbung machen, die tariflichen Voraussetzungen für die Verkehrswende existieren dann. Wir Grünen müssen aber jetzt weiterdenken und wieder auf das Thema ÖV-Angebot schauen. Die Weiterentwicklung der regionalen Expressbusse steht auf dem Prüfstand und hier ist von CDU und Freien Wählern nicht unbedingt Unterstützung zu erwarten. Die anderen Fraktionen in der Regionalversammlung sehen die Expressbusse eher abwartend bis skeptisch. Wenn hier weitere Linien und dichtere Takte folgen sollen, wird es wieder an uns Grünen liegen. Hier brauchen wir Regionsgrünen aber Rückendeckung durch die Grünen in den Kreisen: stellt Anträge in den Kreistagen auf Prüfen von regionalen Expressbuslinien, ladet den VVS ein und lasst euch berichten, wo es sinnvoll sein könnte, solche Linien einzurichten – auch und vor allem in Richtung der Nachbarkreise. Bei der Schieneninfrastruktur stehen uns ebenfalls viele wichtige Diskussionen und hoffentlich auch Entscheidungen bevor. Wie geht es weiter von den Fildern ins Neckartal? Gelingt eine tangentiale Schienenverbindung aus dem Kreis Esslingen über die Schusterbahntrasse nach Ludwigsburg? Auch hier braucht es grüne Impulse und Initiativen. Dafür wird sich die Regionalfraktion weiterhin einsetzen und auch weiterhin sich mit den Grünen in den Kreistagen vernetzen. Die regionale Verkehrswende wird nur mit starken Grünen gelingen.
Prof. Dr. André Reichel, OV Ostfildern Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Verband Region Stuttgart
Licht und Schatten
Traurige Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn
Licht und Schatten liegen bei den DB-Halbjahreszahlen dicht beieinander. Es ist erfreulich, dass die Bürgerinnen und Bürger im Fernverkehr immer häufiger die Bahn nutzen. Schön ist auch, dass mit Flixtrain endlich zumindest mal ein klein wenig Wettbewerb im Schienenfernverkehr entsteht. Der positive Trend bei den Fahrgastzahlen muss durch verkehrspolitische Flankierung und unternehmerische Entscheidungen der DB unterstützt und weiter verstärkt werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss jetzt zügig klären, wie der Deutschland-Takt (integraler Taktfahrplan) umgesetzt werden soll. Wir brauchen auf den besonders nachfragestarken Fernverkehrsstrecken eher heute als morgen einen Halbstundentakt, um die stetig wachsende Nachfrage befriedigen zu können. Dafür sind Investitionen in Infrastruktur und neue Fahrzeuge überfällig. Der Mangel an Fahrzeugen ist eine der Hauptursachen für zu viele Verspätungen und Ausfälle im Bahnverkehr. Dies zeigen auch meine persönlichen Erfahrungen, die ich in meinem Online-Bahntagebuch dokumentiere: Im ersten Halbjahr war ich 61 Mal mit Fernzügen unterwegs, wovon 26 (das entspricht 43 Prozent) unpünktlich waren. Die durchschnittliche Verspätung lag bei 23 Minuten, wodurch viele Anschlüsse verloren gingen. Die Bundesregierung muss endlich ihre Straßenbauorgien beenden (die mittelfristige Finanzplanung des Bundes sieht einen starken Mittelaufwuchs im Straßenbau vor) und die Mittel für den Aus- und Neubau des Bahnnetzes massiv aufstocken – und wegen begrenzter Kapazitäten im Planungs- und Baubereich für einen längerfristig verlässlichen Finanzierungshochlauf sorgen. Das desaströse Einbrechen beim Schienengüterverkehr ist neben hausgemachten Problemen auch eine Folge der Lkw-Vorrangpolitik, die von den Verkehrsministern bisher praktiziert wurde. Für den Güterverkehr auf der Schiene ist es fünf vor zwölf. Die Entscheidung zur Trassenpreissenkung ist richtig. Allerdings darf die reduzierte „Schienenmaut“ nicht, wie von der Bundesregierung vorgesehen, auf wenige Jahre beschränkt bleiben. Für eine Trendumkehr ist ein Modernisierungsschub bei den Güterbahnen notwendig. Dass Güterwagen wie vor 150 Jahren von Hand gekuppelt werden, zeigt den Investitionsstau im Sektor besonders drastisch. Die Verkehrswende kommt nur dann in Schwung, wenn wir für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sorgen. Der Lkw darf nicht länger die von ihm verursachten Stau-, Umwelt- und Unfallkosten auf die Allgemeinheit abwälzen. Eine höhere Lkw-Maut muss diese Kosten künftig berücksichtigen. Ebenso muss die Dieselsubvention Schritt für Schritt abgebaut werden.
Matthias Gastel MdB, Filderstadt
Luftreinhaltung
Besserer ÖPNV; Fahrverbote möglichst vermeiden
Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat Ende Juli entschieden, dass die jüngst koalitionsübergreifend erarbeiteten Eckpunkte für den Luftreinhalteplan in Stuttgart nicht ausreichen. Für den Fall, dass die Luftreinhalte-Maßnahmen nicht greifen und keinen ausreichenden Effekt haben sollten, verlangt das Gericht auch Fahrbeschränkungen für Dieselfahrzeuge der Euro 5-Norm. Gleichzeitig sprach es dafür eine Frist bis zum 31. August aus. Die Begründung des Verwaltungsgerichts haben wir uns genau angesehen. Wir sind weiter davon überzeugt, dass der Entwurf des Luftreinhalteplans und das von Grün-Schwarz beschlossene Maßnahmenpaket für saubere Luft in Höhe von 450 Millionen Euro richtig sind und wirksam werden. Das Maßnahmenpaket wird den ÖPNV zum Beispiel durch die Tarifreform im VVS und die neue Busspur am Neckartor stärken. Gleichzeitig rechnen wir sowohl weiterhin mit einer überdurchschnittlichen Flottenerneuerung als auch mehr Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen. Wenn alle diese Maßnahmen nicht ausreichen werden, sind Verkehrsbeschränkungen für Euro-5-Diesel ab dem 1. Januar 2020 vorgesehen. Damit wir die Wirkung der jetzt umzusetzenden Maßnahmen abwarten können, wird das Land Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegen den Beschluss einlegen (Stand 1. August 2018). In den beiden vergangenen Jahren war zu beobachten, dass die Stickstoffdioxid-Werte rückläufig sind. Das gilt sowohl für die Messstationen in Stuttgart (Neckartor), um die es derzeit geht, als auch in Esslingen (Grabbrunnenstraße). Deshalb bauen wir darauf, dass unsere Maßnahmen weiter greifen und wir Fahrverbote für die neueren Fahrzeuge mit Diesel Euro 5 vermeiden werden können. Unser Ziel ist der Schutz der Menschen vor Luftschadstoffen. Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel durch ein besseres Angebot – anstatt eines Verbots – ist dafür ein sehr geeignetes Instrument. Wie auch immer sich die Diskussion um Fahrverbote entwickeln wird: Es wird uns viel Kritik dafür begegnen, dass Bürgerinnen und Bürger ihr älteres Dieselfahrzeug dann nicht mehr in der Umweltzone nutzen können. Für uns Grüne und das Gericht steht der Gesundheitsschutz von Menschen, die an belasteten Straßen wohnen und arbeiten, an wichtigster Stelle. Wir sollten die aktuelle Diskussion um die Luftreinhaltung jedoch nutzen, um uns auf allen Ebenen, auch in den Gemeinden, für einen besseren und attraktiveren ÖPNV stark zu machen. Andrea Lindlohr und Andreas Schwarz
Handwerk - Die große Wirtschaftskraft
Dialog mit Handwerk und Auszubildenden
An meinem jüngsten Thementag galt meine Aufmerksamkeit dem Handwerk. Dessen wirtschaftliche Bedeutung ist wesentlich höher als landläufig bekannt. Dies belegt allein schon die Zahl von bundesweit knapp 800.000 Beschäftigten und das starke Engagement im Bereich der Ausbildung. Dass das Handwerk derzeit aufgrund der guten Baukonjunktur stark ausgelastet ist zeigte sich alleine schon durch die Tatsache, dass es schwierig war, Betriebe für meine Tour telefonisch zu erreichen und passende Termine zu finden. Letztlich erlebte ich dann aber doch einen sehr interessanten Tag, der bei der Schreinerei Alber in Filderstadt begann. 15 Mitarbeitende plus fünf Schreiner-Azubis, darunter eine Frau, zählt das Unternehmen. Mit dem Chef und einem der Azubis konnte ich über die Suche nach Nachwuchs und Fachkräften sowie die Auftragslage sprechen. Weiter ging es in die Philipp-Matthäus-Schule (Technische Schule) in Nürtingen. Der Rektor stellte mir die Schule mit ihren 1.800 Schülerinnen und Schülern vor, die aus vielen Abteilungen besteht: Bau (Zimmerer und Maurer), Farbe (Maler und Lackierer sowie Fahrzeuglackierer), Holz (Schreiner), Metall (Feinwerkmechaniker, Industriemechaniker usw.) und KFZ-Technik (KfZ-Mechatroniker) sowie weiterführenden Schularten wie Technische Oberschule, Technisches Gymnasium, Berufskollege 1 und 2 sowie der Meisterschule. In der Klasse der Zimmerer des zweiten Ausbildungsjahres durfte ich mich mit dem Nachwuchs unterhalten. Einige bemängelten das schlechte Image des Handwerks speziell unter jungen Menschen und den oftmals rauen Ton auf dem Bau. Manche berichteten auch von unzureichender Anleitung in ihren Ausbildungsbetrieben. Für viele war das Schreinerhandwerk nicht der Wunschberuf, sie wirkten aber entschlossen und sehr motiviert, die Ausbildung abzuschließen. Einige der Schüler wollen nach der Ausbildung nicht übernommen werden, sondern mit der Schule weitermachen oder ein Studium aufnehmen. Das Gespräch, das in großer Offenheit und sehr konzentriert geführt wurde, konnte bei einem gemeinsamen Mittagessen fortgeführt werden. Anschließend durfte ich die angehenden Maler und Lackierer in der Ausbildungswerkstatt besuchen und auch mit ihnen über ihre Motive für die Berufswahl und die Zukunftspläne sprechen. Die Klasse wurde durch Ausbildungsabbrecher nicht unwesentlich geschrumpft. Nur für einen der Schüler*innen handelt es sich um den Wunschberuf (um anschließend in den elterlichen Betrieb einsteigen zu können). Ein anderer kündigte an, die Ausbildung nach dem ersten Lehrjahr beenden zu wollen („Macht mir keinen Spaß“), ohne bereits konkrete Alternativplanungen zu haben. Zum Abschluss meines Thementages schaute ich mir die KfZ-Werkstätte von Karl Bossler in Dettingen unter Teck an. Bossler, der zugleich auch Kreishandwerksmeister ist, wies darauf hin, dass das Handwerk schnell seine ausgebildeten Fachkräfte an die Industrie verliert, die eine höhere Bezahlung bei oftmals besseren Arbeitszeiten und manchmal auch besondere Leistungen wie Betriebskitas bieten kann. Mein Fazit: Ob das Handwerk einen goldenen Boden hat, hängt nicht von der Auftragslage, sondern davon ab, ob genügend gut motivierter Nachwuchs zu finden ist.
Matthias Gastel MdB, Filderstadt
Langer Einsatz hat gelohnt
Mit dem Rad über das Körschtal und entlang des Neckars
Der lange Einsatz hat sich gelohnt: Ende Juli hat unser grüner Verkehrsminister Winfried Hermann den Spatenstich für den Radweg auf dem Körschtalviadukt gesetzt. In naher Zukunft - nach Plan sogar noch in diesem Jahr - können Fahrradfahrer*innen bequem über das Körschtal radeln. Während der Sommerferien wurde der bisherige Notgehweg auf der Westseite um zwei Meter verbreitert, damit Radfahrer die Brücke sicher überqueren können. An beiden Seiten der Brücken wird der Radweg an das bestehende Radwegenetz angeschlossen. Das ist ein grüner Erfolg: Bei unserer Regierungsübernahme 2011 hieß es noch wie all die Jahre zuvor, ein Radweg über das Körschtalviadukt sei aus baulichen und sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich. Als Wahlkreisabgeordnete habe ich mehrfach nachgehakt, und das grün-geführte Verkehrsministerium hat einen Weg gefunden. Das Land verwirklicht diesen Meilenstein für den Radverkehr auf den Fildern mit Haushaltsmitteln von zwei Millionen Euro. Ich bin mir sicher, dass der neue Radweg schnell von vielen Radfahrer*innen angenommen wird. Wenn viele Berufspendlerinnen und -pendler aufs Rad umstiegen, dann könnte dieser neue Radweg für Entlastung und weniger Staus auf den Straßen der attraktiven Wohn- und Arbeitsgegend der Fildern sorgen. Auch beim geplanten Radschnellweg entlang des Neckartals von Reichenbach nach Stuttgart gibt es Fortschritte. Bei einer radverkehrspolitischen Tour Ende Juli mit Verkehrsminister Winfried Hermann, Kommunalpolitiker*innen und Vertreter*innen von Radverkehrsverbänden wurden mögliche Routen näher betrachtet. Für das komplizierte Teilstück auf der Gemarkung Esslingen werden drei Varianten geprüft. Die Planer favorisieren derzeit eine nördliche Variante auf dem rechten Neckarufer. Dies müssen wir in Esslingen nochmal genauer besprechen. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung darüber getroffen werden, auf welcher Route der Radschnellweg nach Stuttgart verlaufen wird, damit schnell ein erstes Teilstück in Angriff genommen werden kann. Ob Körschtalviadukt oder Radschnellweg nach Stuttgart: Es ist gut, dass es beim Radverkehr nach vorne geht. Das ist ein Erfolg und Verdienst grüner Mobilitätspolitik. Und das ist wichtig, denn der Radverkehr kann einen wichtigen Beitrag zu einer modernen Mobilität, saubereren Luft und mehr Klimaschutz in unserer Region beitragen.
Andrea Lindlohr
Milliardenschweres Zukunftspaket
für die Städte, Gemeinden und Landkreise
Die grün schwarze Landesregierung und die kommunalen Landesverbände haben noch vor der Sommerpause in der Gemeinsamen Finanzkommission ein Milliardenpaket mit einem Volumen von rund 1,6 Milliarden Euro für wichtige Aufgaben geschnürt. Erst vor kurzem hatte ich unsere Finanzministerin Edith Sitzmann zu einem kommunalpolitischen Finanzgespräch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus der Raumschaft nach Wernau eingeladen. Es freut mich, dass es Edith Sitzmann nun gelungen ist, nach intensiven Gesprächen den Durchbruch zu schaffen. Das Paket umfasst unter anderem eine Erhöhung der Kindergartenförderung, ein Digitalisierungsprogramm für Schulen, mehr kommunale Verkehrsprojekte, Investitionen für die Krankenhäuser und die Beteiligung des Landes an den Sozialleistungen für geduldete Flüchtlinge. Einige Teile der nun getroffenen Einigung machen einen Nachtragshaushalt im Jahr 2018 erforderlich. Das Land wird rund eine Milliarde Euro in wichtige Zukunftsaufgaben investieren. Die Städte, Gemeinden und Landkreise beteiligen sich mit rund 600 Millionen Euro. Die Ergebnisse im Einzelnen: 1. Pakt für gute Bildung und Betreuung Zentral wichtiger Punkt ist der ‚Pakt für gute Bildung und Betreuung‘, für den sich die Grüne Fraktion von Beginn an eingesetzt hat. Denn nach dem massiven Ausbau der Betreuungsplätze muss jetzt der Fokus auf der Verbesserung der Qualität in der frühkindlichen Bildung liegen. Wir wollen die Sprachförderung ausbauen, Kita-Leitungen und Fachkräfte noch mehr unterstützen und die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern verbessern. Insgesamt umfasst der Pakt rund 80 Millionen Euro. Davon werden finanziert: · Eine Ausbildungsoffensive für Fachkräfte (rund 36,2 Millionen Euro im Endausbau). Die Zahl der Ausbildungsplätze für die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) wird zunächst um ein Viertel erhöht. Im Endausbau ist eine Verdopplung angedacht. Den Trägern soll für einen befristeten Zeitraum dafür eine Ausbildungspauschale pro Platz und Monat in Höhe von 100 Euro gezahlt werden. Darüber hinaus wird das Land die Anzahl der Klassen an den Fachschulen deutlich erhöhen. · Kindergartenförderung: Ergänzend zu den aufwachsenden Bundesmitteln aus dem geplanten „Gute-Kita-Gesetz“ erhöhen Land und Kommunen die Mittel für die Kindergartenförderung im Finanzausgleich. Einschließlich Bundesmittel wächst die Kindergartenförderung nach § 29b FAG damit ab 2019 stufenweise von 529 Millionen Euro auf über eine Milliarde Euro im Jahr 2021 an. · Zusätzliche Unterstützung für Kitas bei inklusiver Betreuung (rund 28,7 Millionen Euro im Endausbau). Mobile Fachdienste und Qualitätsbegleiter sollen die Einrichtungen hinsichtlich ihrer inklusiven Konzeption und bei sonstigen Fragen beraten und unterstützen, aber auch das Personal weiterqualifizieren. Der Einstieg soll über eine Modellphase mit anschließender Evaluation erfolgen. Teil des Pakts ist außerdem unsere Zusage an die Träger, für Kinder mit Behinderung künftig den doppelten Förderzuschuss zu gewähren. · Verlässliche sprachliche und elementare Förderung (rund 3,5 Millionen Euro). Das neue Konzept baut auf den bewährten Elementen des Landesprogramms „Spatz“ (Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf) auf. Damit werden sowohl das Bildungsangebot „Singen-Bewegen-Sprechen“ (SBS), als auch die „intensive Sprachförderung im Kindergarten“ (ISK) weitergeführt und finanziert. Darüber hinaus soll das neue Konzept auch die Entwicklungsbereiche der mathematischen Vorläuferfähigkeiten, der Motorik sowie der sozial-emotionalen Verhaltensweisen umfassen. Teil des Konzepts ist außerdem ein verbindliches Entwicklungsgespräch im Anschluss an die Einschulungsuntersuchung, also circa ein Jahr vor der Einschulung. · Bessere Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule (rund 7,7 Millionen Euro). Der Übergang von der Kita in die Schule hat eine immens hohe pädagogische Bedeutung. Deshalb wollen wir die Zusammenarbeit intensivieren, indem wir den Kitas ebenfalls eine Anrechnungsstunde für diese Arbeit zur Verfügung stellen. · Kindertagespflege finanziell und qualitativ stärken (rund 2,83 Millionen Euro). Die Kindertagespflege leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherung der Kinderbetreuung. Wir werden den Stundensatz für Tagespflegepersonen bei der Betreuung von Kindern über drei Jahren um einen Euro auf 5,50 Euro pro Kind erhöhen. Die Leistungen sind an konkrete Qualitätsstandards geknüpft, wie beispielsweise an einen Nachweis der sprachlichen Kompetenzen der Tagespflegepersonen und weitere Qualifizierungsmaßnahmen. · Weiterentwicklung des Orientierungsplans (rund 200.000 Euro). Grundlage und Kompass der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist der baden-württembergische Orientierungsplan. Als ein Teil des Pakts für gute Bildung und Betreuung soll überprüft werden, inwieweit die Ziele und die einzelnen Handlungsfelder umgesetzt werden und inwieweit der Orientierungsplan an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden muss. · Einstieg in die Leitungszeit (über Bundesmittel im Gute-Kita-Gesetz). Über den Pakt hinaus wollen wir erstmalig in die Förderung der Leitungszeit in Kindertageseinrichtungen einsteigen. Die Einrichtungsleitungen spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Orientierungsplans und somit bei der Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung in den Kindertageseinrichtungen. Deshalb muss die Leitungsfreistellung ein zentraler Bestandteil der Qualitätsentwicklung sein. 2. Mobilität Ein Erfolg ist für uns auch die Fortführung der Landesverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG). Uns Grünen ist es wichtig, dass unsere Kommunen umwelt- und klimafreundliche Mobilität gewährleisten können. Die Mittel für kommunale Straßen, Radwege und den Ausbau von Bus und Bahn werden vom Land mit 165 Millionen Euro weitergeführt. Damit ersetzt das Land die mit der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern entfallenden Entflechtungsmittel. Durch einen gemeinsamen Infrastrukturbeitrag von Land und Kommunen werden die bisherigen Mittel zudem um 155 Millionen Euro auf dann 320 Millionen Euro pro Jahr erhöht und damit fast verdoppelt. So können wir eine leistungsfähige und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur im Sinne des Klimaschutzes bauen. Denn unter anderem muss das Bus- und Bahnangebot aufs doppelte Niveau ansteigen. Dabei werden wir das Ziel einer nachhaltigen Mobilität verfolgen. 3. Digitalisierung an Schulen 150 Millionen Euro investieren das Land und die Kommunen in die Schulen, damit die Digitalisierung an Schulen starten kann. Diese Einigung schafft die Grundlage, die angekündigte Bundesförderung, die seit Herbst 2016 auf sich warten lässt, möglichst zielgerichtet und strukturiert nutzen zu können. Land und Kommunen waren sich einig, dass die Digitalisierung der Schulen nicht länger aufgeschoben werden könne. 4. Krankenhauslandschaft Zur Kofinanzierung des Krankenhausstrukturfonds des Bundes für die Modernisierung der Krankenhauslandschaft stellt das Land in den Jahren 2019 bis 2022 insgesamt 240 Millionen Euro zur Verfügung. Des Weiteren sollen die rund 402 Millionen Euro, die 2019 für Investitionen der Krankenhäuser im Kommunalen Investitionsfonds zur Verfügung stehen, ab 2020 um 25 Millionen Euro auf 427 Millionen Euro erhöht werden. Mit einem Sonderprogramm von 10 Millionen Euro sollen zudem die Krankenhäuser bei der Digitalisierung unterstützt werden. 5. Integration Stark gemacht haben wir uns auch für eine faire und ausreichende Finanzierung der Unterbringung von geduldeten Flüchtlingen. Städte und Landkreise leisten hier vorbildliche Arbeit und das Land steht zu seiner finanziellen Verantwortung. Für geduldete Flüchtlinge, die in der Anschlussunterbringung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, zahlt das Land den Stadt- und Landkreisen in den Jahren 2018 und 2019 jeweils 134 Millionen Euro. Bisher trugen allein die Stadt- und Landkreise die Kosten. Im Vorgriff auf eine Verlängerung der Integrationspauschale des Bundes stellt das Land im Jahr 2019 70 Millionen Euro zur Verfügung. Damit kann frühzeitig die Fortführung des in Baden-Württemberg flächendeckend etablierten Integrationsmanagements gewährleistet werden. 6. Inklusion Für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und damit zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung hat das Land mit den Kommunen vereinbart, sie für die Jahre 2017 bis 2019 einmalig mit 50 Millionen Euro beim Aufbau der Betreuungsstrukturen zu unterstützen. 7. Umweltschutz Zur weiteren Stärkung der Umweltverwaltung bei den Stadt- und Landkreisen werden ab dem Jahr 2019 zusätzliche Mittel in Höhe von 2,4 Millionen Euro für je eine halbe Stelle des gehobenen Dienstes bei den Stadt- und Landkreisen und für je eine Stelle des höheren Dienstes bei den Stadtkreisen bereitgestellt. Die Einigung zeigt: Das Land ist ein verlässlicher Partner der Kommunen. Wir ermöglichen den Städten, Gemeinden und Landkreisen eine gute Daseinsvorsorge und dafür statten wir sie mit den nötigen Finanzmitteln aus. Wir reden nicht von starken Kommunen – wir machen sie stark.
Andreas Schwarz MdL
Landesbauordnung:
Für schnelles und zukunftsorientiertes Bauen
Angesichts des Wohnungsmangels im Land hat die grün-geführte Landesregierung die Eckpunkte für eine Novelle der Landesbauordnung auf den Weg gebracht. Inhaltliche Eckpunkte sind: 1. Die Fahrradabstellplätze bleiben in der novellierten LBO erhalten. Die Regelungen für Fahrrad- und Kfz-Stellplätze werden in einem Paragraphen zusammengeführt. Noch flexibler als bisher mit umfassenden Abweichungsmöglichkeiten nach oben (z.B. 4-Zimmerwohnung in der Stadt) und unten (z.B. Ein-Zimmerappartements oder Pflegeheime) und entsprechend dem Bedarf entscheiden die örtlichen Baurechtsbehörden. 2. Die Regelung zur Begrünung in § 9 LBO wird vollumfassend bleiben. 3. Die Innenentwicklung wird durch Neuregelung des Bestandsschutzes bei Tierhaltungsanlagen deutlich gestärkt – innerörtliche Höfe schränken z.B. immissionsschutzrechtlich nicht mehr die Bebauung in der direkten Nachbarschaft ein. 4. Die nötigen Voraussetzungen für Ladeinfrastruktur für e-Mobilität als Mobilität der Zukunft werden geschaffen: Leerrohre für Elektromobilität werden untergesetzlich geregelt. Die zahlreichen heutigen Probleme in der Praxis sind so zumindest für Neubauten geregelt. 5. Der Holzbau wird weiter erleichtert. Mit den neuen Regelungen können hochgeschossige Holzbauten realisiert werden. Serielles und modulares Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen wird weiter vorangebracht. 6. Aufstockungen im Bestand werden besser und kostengünstiger realisierbar – das ist ein zentraler Beitrag zu innerörtlichen Verdichtung. 7. Verfahren werden beschleunigt und unnötige Regelungen abgeschafft (z.B. Waldabstandsgebot). 8. Ein in die Zukunft gerichteter Standard für Barrierefreiheit wird für unsere Gesellschaft gesichert – die bereits jetzt fehlenden 220.000 barrierefreien Wohnungen zeigen, wie wichtig das im Neubau ist. 9. Kinderspielplätze können durch die Ausweisung gemeinsamer Flächen bedarfsgerecht und zukunftsfähig realisiert werden – es müssen nicht wie bisher kleine Flächen pro Einheit zur Verfügung gestellt werden. Wir gehen derzeit davon aus, dass das Gesetzgebungsverfahren nach den Sommerferien beginnen kann.
Andreas Schwarz und Andrea Lindlohr
Mit Manne Lucha in der IBUS-Lernwerkstatt Ostfildern
Gemeinsam mit Sozialminister Manne Lucha besuchte die Esslinger Landtagsabgeordnete Andrea Lindlohr die IBUS-Lernwerkstatt für Geflüchtete in Ostfildern-Nellingen. Im Mittelpunkt des Besuchs der beiden Grünen stand der Austausch mit Ehren- und Hauptamtlichen des Freundeskreises Asyl, des Kreisdiakonieverbands und vor allem den Geflüchteten. „Hier gehen kommunale Verantwortung, die Arbeit der Integrationsbeauftragten und der unglaublich engagierten und professionellen Ehrenamtlichen bei der Integration von Geflüchteten Hand in Hand“, freut sich Lindlohr. Für die Geflüchteten soll die IBUS-Lernwerkstatt(und die weiteren sehr guten Projekte wie beispielsweise das Mentoring) eine Anlaufstelle sein und den Geflüchteten sinnvolle Beschäftigung und Qualifikation bieten – unabhängig von der Bleibeperspektive. Deutlich wurde bei dem Besuch, dass Integration in Ostfildern Bürgersache ist und Vereine und Verwaltung an einem Strang ziehen. Die Hauptthemen waren Arbeit und bezahlbare Wohnungen. Auf dem guten Arbeitsmarkt werden die Geflüchteten als wichtige Arbeits- und Fachkräfte nachgefragt. Doch Probleme bereite etwa, dass Menschen in Arbeit und Ausbildung ihr Aufenthaltsrecht verlieren können, auch wenn sie durch die 3+2-Regelung (Aufenthalt während einer dreijährigen Ausbildung und zwei weiterer Jahre Arbeit) eigentlich geschützt sein sollten. Ein Umstand, den die Grünen gemeinsam mit dem Handwerkstag und den Arbeitgeberverbänden verbessern wollen. Andrea Lindlohr merkte an, dass diese Menschen „nicht ihre Duldung verlieren sollten, wenn die Passbeschaffung beim besten Willen nicht möglich ist.“ Lucha fügte hinzu, dass „wir uns darum kümmern, denen, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben, eine Perspektive geben“, sagte er. Auch für den schwierigen Wohnungsmarkt gibt es erste politische Lösungen. Diese würden aber nur mittel- und langfristig wirken, so Lucha. „Grün-Schwarz stellt mit dem Förderprogramm Wohnungsbau Baden-Württemberg 360 Millionen Euro in den Jahren 2018 und 2019 für den sozialen Wohnungsbau bereit, um den Menschen zu helfen, die sich am Wohnungsmarkt besonders schwer tun. Geflüchtete bekommen dafür nun erstmals auch einen Wohnberechtigungsschein“, sagt Lindlohr. Viel Geld nimmt das Land auch weiter für Integrationsaufgaben in die Hand. So sollen sowohl die vom Land geförderten Stellen der Integrationsbeauftragten als auch der Pakt für Integration fortgeführt werden. Über Gelder aus dem Pakt werden beispielsweise die zwei Integrationsmanager*innen Ostfilderns finanziert, die Geflüchtete individuell beraten und fördern. Die sehr engagierten und professionellen Ehrenamtlichen sollen, wie bisher auch, in ihrer Arbeit durch das Land unterstützt werden. Im Pakt für Integration standen bislang 5,4 Millionen Euro für bürgerschaftliches Engagement für Migrantinnen und Migranten zur Verfügung. Mit dem Geld können etwa Fortbildungen bezahlt werden. Ziel sei es laut dem Minister für Soziales und Integration, „hauptamtliche Strukturen von Seiten des Landes zu verstetigen, und das nicht erst am St.-Nimmerleins-Tag.“ In der IBUS-Lernwerkstatt lernen Geflüchtete Fertigkeiten in verschiedenen Handwerksberufen. Das Projekt IBUS (Integration, Beschäftigung, Unterstützung, Sprache) wird gemeinsam vom Kreisdiakonieverband, dem Freundeskreis Asyl Ostfildern e.V. und der Stadt Ostfildern getragen und von der deutschen Fernsehlotterie finanziell gefördert. Den Unterricht übernehmen Handwerksmeister im Ehrenamt. Im Jobcafé stehen Computer bereit, mit denen die Geflüchteten ihre Deutschkenntnisse verbessern und sich, unterstützt von Ehrenamtlichen, auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze bewerben können.
Andrea Lindlohr
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